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Inka führt seit vier Jahren das Blog blickgewinkelt.de, auf dem sie von ihren Reisen und ihrem Patchwork-Alltag in Berlin-Brandenburg berichtet.
Am Morgen erwache ich in der Suite von Herman’s Stilhotel im großen schönen Bett zwischen Holzbalken und weißgetünchten Wänden. Am Abend zuvor sind wir in Guben angekommen. In der Niederlausitz.
An der Grenze zu Polen. Das 2009 umgebaute Hotel beherbergt einen schönen Mix zwischen Tradition und Moderne, die Dusche ist gleichzeitig Dampfbad, das gemütliche Wohnzimmer lädt dazu ein, hier einige Tage zu bleiben. Aber heute haben wir anderes vor. Nach dem Frühstück spazieren wir eine Runde durch Guben, um die etwas üppige Mahlzeit zu verdauen, bevor es zum Kanufahren geht.
Die alte Hutmacherstadt hat sich in den vergangenen Jahren herausgeputzt: Sauber reihen sich die alten und neuen Gebäude aneinander, fast alle alten Wohnhäuser sind renoviert. Ab und an finden sich noch unrenovierte alte Fabrikanten-Villen rechts und links der Straße, die daran erinnern, dass Guben im letzten Jahrhundert eine wohlhabende Stadt und über die Grenzen hinaus berühmt war für sein Hutmacherhandwerk.
Wir treffen uns mit Manuela Zahn vom Kanuverleiher Expeditours an den Neißeterrassen. Auf der anderen Flusseite liegt Gubin. Wir werden jetzt auf der Neiße gen Norden in Fließrichtung direkt auf der deutsch-polnischen Grenze entlang paddeln – besser gesagt treiben lassen. Durch die Niederschläge der vergangenen Wochen führt die Neiße ordentlich Wasser. Wir klettern in das Kajak und sofort nimmt uns die Strömung mit in Richtung Norden. Wie gut, dass das Wetter kaum besser sein könnte: blauer Himmel und ein paar Wölkchen, die gnädigerweise die Sonne ab und an verdeckt.
Nach wenigen Minuten kommt die erste und einzige Herausforderung des Tages in Sicht: die Reste der ehemaligen Nordbrücke. Ein Pfeiler ragt wie ein Zahn in die Höhe. Manuela Zahn hat uns vorbereitet. Mittig ansteuern und dann durch die kleinen Strudel treiben lassen, lautete ihr Tipp. Wir machen das und werfen uns in die Stromschnellen von Guben. Die Spitze des Kajaks taucht in die Wellen und platsch, platsch, platsch schwappen drei Wellen ins Boot. Kein Wassersport ohne Wasser!
Nach diesem kleiner Aufreger lassen wir uns treiben. Die Neiße fließt hier mit einer Geschwindigkeit von fünf bis sieben Kilometern in der Stundebringt. Die Strecke ist hervorragend entspannend und es gibt bis nach Ratzdorf keine schwierige Stellen. Links und rechts am Ufer gibt es jede Menge zu entdecken. Ein Reiher steigt hoch und über uns kreist ein Greifvogel. Plötzlich plätschert es in der Uferböschung. War das etwa ein Biber? Die Nager sind in den vergangenen Jahren wieder heimisch geworden an der Neiße.
Ich bin total überrascht, wie dicht hier der Uferbewuchs ist. Umgestützte Bäume ragen ins Wasser und an manchen Stellen sieht es aus wie in einem Mangrovenwald.
Obwohl die Straße nicht sehr weit entfernt ist und rechts und links Fahrrad- und Spazierwege entlangführen, sehen wir die kommenden drei Stunden keine Menschenseele und fühlen uns wie mitten in der Wildnis. Die meiste Zeit lassen wir uns treiben und steuern nur ein bisschen. Der Wind rauscht im Schild und den Bäumen und ist unser Sound des Tages. Was für ein Luxus.
Nach knapp zwei Stunden kommt die Mündung vn Oder und Neiße in Sicht. Jetzt heißt es noch einmal konzentrieren, damit wir den Ausstieg nicht verpassen. In Ratzdorf wartet schon Manuela Zahn auf uns. Die Kanus werden verladen und wir bekommen dafür Fahrräder. Bevor es die 15 Kilometer nach Guben zurück geht, gibt es erstmal eine kleine Pause im Lokal „Oderblick“. Das Zucchini-Omelett ist genau das Richtige nach den zweieinhalb Stunden auf dem Wasser.
Mit dem Fahrrad geht es zuerst auf dem Oder-Neiße-Radweg in Richtung Guben zurück. Auch an Land begegnen wir an diesem Tag nur sehr wenig Radlern. Wir haben den Radweg sozusagen für uns alleine!
In Coschen wechseln wir auf die polnische Seite. Der Oder-Neiße-Radweg ist teils unbefestigt, manchmal haben wir die Wahl zwischen Teerweg und Waldweg, wir wählen in der Regel letzteres, denn das ist spannender. Es geht durch blühende Rapsfelder und Kiefernwälder, die Dörfer sind still und viele Häuser sehen verlassen aus. Ein ums andere Mal stoppen wir, um Fotos von den alten Häusern zu machen und uns vorzustellen, wie wir eines davon renovieren und ab sofort auf einem schönen alten Hof mitten im Grünen wohnen.
Zwischendurch muss auch auch Zeit für eine kleine Rast sein. Wir sinken ins tiefe Gras und machen ein zünftiges Picknick. Gut, dass wir daran noch gedacht haben. Ein paar Wolken ziehen am Himmel vorbei. Der Weg ist länger als erwartet, durch unsere Stopps brauchen wir vier Stunden für den Rückweg. Bis Gubin bzw. Guben bleiben wir auf der polnischen Seite, denn außer in Coschen existieren keine weiteren Brücken auf der Strecke.
Am Abend spazieren wir erneut auf die polnische Seite, um die Altstadt Gubin mit der alten riesigen Kirche anzuschauen. Diese ist Ende des zweiten Weltkrieges zu großen Teilen zerstört worden und heute meistens nur von außen zu besichtigen, wir haben aber Glück und können wegen eines stattfindenden Workshops einen Blick hinein werfen.
Die riesigen Säulen und Querbögen sind zum großen Teil erhalten und geben ein imposantes Bild ab. Im urigen Restaurant Tercet direkt nebenan genießen wir am Abend unser Abendessen auf der Terrasse mit Blick auf die deutsche Grenze. Die Karte ist sehr reichhaltig mit gut bürgerlicher Küche und wir brauchen lange, um uns zu entscheiden.
Ich nehme letztendlich das Wildschwein, der Mann entscheidet sich für ein Steak. Die Preise sind günstig und das Essen gut und reichlich. Zurück in Hermann’s Stilhotel lassen wir den Abend dieses gleichzeitig aufregenden und entspannten Tages auf der suiteeigenen Terrasse mit Blick auf die Neiße beim regionaltypischen Apfelwein ausklingen.
Im nahe gelegenen Forst, von dem die Niederlausitzer sagen, es sein viel schöner als Guben, spazieren wir an den vielen unglaublich schön restaurierten Fabrikantenvillen vorbei. Forst war einst eine europäische Tuchmachermetropole, bereits im 15. Jahrhundert wurde hier Tuch hergestellt.
Viele alten Fabrikgebäude stehen noch und sind einen Streifzug durch die Stadt wert. Außerdem besuchen wir das Textilmuseum und lassen uns die Herstellung von Wolle und Textilien erklären. Die Maschinen werden live vorgeführt, ich habe so etwas noch nie in meinem Leben gesehen und bin genauso fasziniert wie die Kinder, die dabei stehen und deren Augen und Ohren immer größer werden. Jetzt kann ich mir vorstellen, wie es hier vor 150 Jahren gewesen sein muss: 5000 mechanische Webstühle in der Stadt verteilt, laut und ratternd, viele wohlhabende Leute, viele Arbeiter. Geschichte wird hier lebendig.
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